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Sascha, du hast gerade dein Buch „Reflexion und Analyse des Lebenswandels“ veröffentlicht. Im Gegensatz zu anderen Autoren – gerade aus der Fitnessbranche – machst du aber wenig Marketing. Woran liegt das?

Ich sehe das so: Je weniger ich selbst von meinem Buch überzeugt bin, desto mehr Marketing muss ich betreiben. Ein gutes Buch verbreitet sich selbst über Empfehlungen weiter. Wenn ich einen Klienten habe, den ich aktuell aus Zeitmangel nicht betreuen kann, weise ich ihn aber natürlich auf mein Buch hin. Es bietet ihm eine gute Grundlage und eventuell werden schon viele seiner Fragen beantwortet.

Du bist Personaltrainer, ernährst dich seit vielen Jahren sehr strikt und machst mehrmals am Tag Sport. Dabei bestand deine Ernährung vor einigen Jahren noch aus Tiefkühlpizza mit Fleischwurst. Wann und wieso hast du mit dieser Fast-Food-Diät aufgehört?

Ich habe damals sehr viel Kampfsport betrieben und mich quasi aus Überzeugung schlecht ernährt. Bei dem Sportpensum und in dem jungen Alter ging das auch. Gesunde Ernährung spielte einfach keine Rolle in meinem Leben. Später begann ich mit Krafttraining und lernte einige Hardcore-Bodybuilder kennen. Ich wurde Teil einer Gruppe, für die hartes Training eine Lebenseinstellung war. Zu Beginn wollte dann einer der Jungs wissen, ob ich Proteinshakes zu mir nehmen würde. Ich sagte nur: „Was? Protein? Ich esse jeden Tag zwei Tiefkühlpizzen.“ Ich war verdammt stolz darauf, mich so von den typischen Bodybuildern abzugrenzen. Ich hatte als Kampfsportler außerdem noch viele Vorurteile gegenüber der Bodybuildingszene. Später bin ich aber dann mit einem aus der Truppe zusammengezogen und der hat mich dann endlich überzeugt, jeden Tag proteinreichen Magerquark zu essen. Ich habe es dann einfach probiert und jeden Tag einen Kilogramm Quark gegessen. Mehr habe ich nicht verändert. Die restliche Ernährung bestand weiterhin aus Pizza- und Nudelorgien. Ich merkte dann recht schnell, wie sehr ich von dieser einfachen Änderung profitierte und begann so, Stück für Stück meine Ernährung umzustellen. Bis ich zu der heutigen Ernährungsweise kam, zogen aber Jahre ins Land.

Keine Lust aufs Laufband: Sprints sind fester Bestandteil in Saschas Trainingsplan.

Aber anscheinend konntest du trotz Fast Food beim Kampfsport deine Leistung bringen.

Das lag aber wirklich am Alter. Es gibt ja auch jede Menge Leistungssportler, die unglaublich viel Müll essen und das durch ihr hartes Training kompensieren. Aber die haben dann nicht die sportliche Langlebigkeit wie die Football-Legende Tom Brady, der sich sauber ernährt hat und noch im „gehobenen Alter“ seine Leistung bringt. Ich habe mit 25, also auf dem Höhepunkt meiner biologischen Leistungsfähigkeit, meine Ernährung umgestellt und schnell gemerkt, wie sehr ich davon profitiere. Heute bin ich 33 und fühle mich noch genauso antriebsstark wie mit 18.

Ernährung ist das eine. Viele Fitnessbegeisterte sind hier genau wie du sehr strikt, gehen aber am Wochenende feiern und betrinken sich. Du trinkst sicherlich keinen Alkohol, oder?

Nein. Ich trinke nie. Wobei … das kann ich so eigentlich nicht mehr sagen. Meine Oma hat vor einiger Zeit selbst gekelterten Wein im Keller gelagert, den ich dann natürlich probieren musste. Das ist aber schon über ein Jahr her und war die einzige Ausnahme im Laufe vieler Jahre.

Verzichtest du auf Alkohol, weil er der Gesundheit schadet oder magst du das Gefühl nicht?

Mit dem Gefühl betrunken zu sein, habe ich eigentlich kein Problem. Es sind wirklich nur die gesundheitlichen Aspekte.

Jetzt werden sich viele Leser fragen: Wie zum Teufel feiert er dann Silvester oder Geburtstage?

Eigentlich interessieren mich Tage wie Silvester gar nicht mehr. Das letzte Silvester habe ich im Bett verbracht. Das war ein seltsames Erlebnis, denn plötzlich klangen die Böller und Raketen nicht nach Party, sondern nach Krieg. Ich habe das Knallen und die Lichtreflexe ganz anders wahrgenommen und weiß jetzt, wie ein Hund sich dabei fühlen muss (lacht). Das war schon ein wenig bedrückend. Ich gehe aber schon noch gerne feiern oder treffe mich mit Freunden. Aktuell liegt der Schwerpunkt meines Lebens allerdings auf meiner Arbeit. Ich möchte nicht vier oder fünf Stunden vom nächsten Tag verlieren, weil ich die Nacht davor durchgetanzt habe. Die Rechnung geht für mich nicht mehr auf. Ich habe aber einen Plan: Wenn es beruflich bei mir etwas ruhiger ist, werde ich Partys geben, die um 15 Uhr anfangen und gegen 21 Uhr enden. Alle glühen um 14 Uhr vor, können saufen und sind trotzdem am nächsten Tag fit. Bielefeld könnte dann Städten wie Berlin ein Vorbild sein und den Trend setzen (lacht).

Sascha geht beim Training häufig an seine Grenzen – und darüber hinaus.

Auch deine Ernährung ist relativ extrem. Bei dir stehen öfter Innereien wie Leber, Herz und auch Hoden auf dem Speiseplan. Wie schmeckt Hoden denn so?

Hoden schmeckt sehr neutral. Schafhoden schmeckt wie Hühnchen – nur noch zarter. Es kommt aber sehr auf die Verarbeitung an. Unschön ist es, wenn die Hoden einfach so in einer Schüssel liegen. Das ergibt dann eine milchig-blutige Mischung. Blut geht ja noch, aber das milchige ist eben Schafwixe (lacht).

Ist Hoden denn wirklich so nahrhaft?

Ja. Jedes Organ hat seine eigene Stärke und Schwäche. Gehirn und Herz liefern zum Beispiel ganz andere Nährstoffe als Muskelfleisch. Und der Verzehr von Rinderherz ist tatsächlich sehr gut für das eigene Herz. Am meisten Probleme hat mir bisher Schafshirn bereitet. Man kann sich aber auch langsam herantasten. Ich habe mit Leber begonnen und mich dann langsam an den Verzehr von Nieren gewöhnt. Das war wirklich sehr hart für mich. Mittlerweile esse ich Niere aber ganz gerne. Was das Hirn angeht: Ich habe mir beim Schlachter einen ganzen Schafkopf geholt und mich einfach erst einmal an den Anblick gewöhnt. Ich habe dann ein bisschen mit der Zunge rumgedamelt und so den Kopf etwas „entzaubert“. Das ganze Tier zu essen, bedeutet für mich, dem Tier Respekt zu zollen.

Dein Training ist ähnlich extrem wie deine Ernährung. Du gehst im wahrsten Sinne des Wortes oft an die Kotzgrenze und darüber hinaus. Gerade auch im Kampfsport. Kann man sich diese „Selbstüberwindung“ antrainieren?

Als ich mit Boxen angefangen habe, wurde ich wie viele andere Neulinge ins kalte Wasser geworfen. Das ist eine sehr gute Methode. Beim Boxen kriegen Anfänger relativ schnell eins auf die Fresse. Dieses „schocken“ ist ein Mechanismus, der Leute, die einfach nicht für Kampfsport gemacht sind, aussiebt. Wer erst mit 25 anfängt, hat damit übrigens mehr Probleme, als jemand, der früh mit Kampfsport beginnt. Im Ring fallen viele Regeln weg und es entsteht so etwas wie eine chaotische Situation. Beim Sparring schlagen Boxer zwar nicht so extrem hart zu, wie sie eigentlich könnten, aber eine Nase oder Rippe ist trotzdem schnell gebrochen.

Bei Anfängern ist daher die Technik im Sparring viel schlechter als beispielsweise beim Training am Sandsack. Du reagierst viel mehr über die Instinkte. Daher ist das sogenannte bedingte Sparring, also leichtes Sparring, am Anfang so wichtig, um sich heranzutasten, die Technik zu verinnerlichen, sich im Ring zu orientieren und zu lernen, „Schläge einzustecken“. Für die Selbstverteidigung sind neben Boxen aber auch Ringen und Judo sehr wertvoll, weil hier ebenfalls viel Sparring gemacht wird.

Sind eigentlich alle in deiner Familie so sportlich?

Mein Bruder hat auf jeden Fall die beste Veranlagung. Wenn der früher angefangen hätte, wäre er heute bei Olympia. Und das meine ich ernst. Er hat auch diesen Willen zur Selbstzerstörung, den man braucht, um ein wirklich krasses Training durchzuziehen. Ich selbst habe eigentlich gar nicht so vorteilhafte Gene für den Muskelaufbau. Da komme ich mehr nach meiner Mutter. Seit ich wieder mehr Übungen mit dem Körpergewicht mache, habe ich rund 10 Kilo abgenommen (Anm.: Sascha wiegt 108 Kilogramm bei 194 cm Größe). Eine Inspiration ist Ido Portal mit seiner „Movement-Philosophie“. Aktuell arbeite ich auf den einarmigen Handstand hin und versuche mich an komplexeren Übungen. Muskelaufbau ist also gar nicht so sehr mein vordergründiges Ziel.

Sascha trainiert möglichst häufig in der freien Natur.

Gehst du mit deinen Klienten trotzdem ganz klassisch ins Studio und zeigst ihnen Übungen?

Wenn die Klienten in Bielefeld wohnen, ja. Der Trainingsplan ist aber in den meisten Fällen das Unwichtigste. Viele Menschen haben sehr unspezifische Ziele wie „Ich möchte abnehmen“ oder „Ich möchte Muskeln aufbauen“. Dabei ist der allgemeine Lebenswandel viel wichtiger – weit über das Sportliche hinaus. Gerade bei Frauen ist es häufig so, dass sie in der Partnerschaft oder als Mutter zu wenige Freiräume für sich selbst haben. Feste Absprachen, an die sich beide Partner halten sind also extrem wichtig, damit ein gesunder, sportlicher Lebenswandel gelingen kann. Aber natürlich begleite ich meine Kunden auf Wunsch auch ins Studio und zeige die richtige Übungstechnik.

Inkompetenz, mangelndes Engagement oder schlicht Desinteresse: Viele Kunden beklagen sich über Trainer in Studios. Kannst du diese Kritik nachvollziehen?

Hier muss ich mal eine Lanze für die Trainer brechen. Oft handelt es sich dabei um Sportstudenten, die äußerst schlecht bezahlt werden. Der Anspruch, der an sie gelegt wird, ist aber sehr hoch. Denn das, was sie kennen und können müssen, ist eine ganze Menge. Neben Dingen wie der richtigen Übungsausführung müssen Trainer auch anatomische und physiotherapeutische Kenntnisse haben. Natürlich gibt es auch einige schlechte Trainer. Das ist allerdings eher dem Markt geschuldet, der sich aktuell in hochpreisige Edel-Studios und Billigfitnessketten aufspaltet. Hinzu kommen die sehr hochwertigen Crossfit-Studios, die eine exzellente Betreuung anbieten. Die kann sich aber kaum ein Schüler oder Student leisten. Dennoch glaube ich, dass sich das Angebot langfristig positiv entwickeln wird, da Qualität einfach wieder mehr wertgeschätzt wird.

Was sind denn für dich drei Eigenschaften, die ein guter Trainer haben muss?

Das Erste ist persönliche Verantwortung. Ein Trainer muss leben, was er lehrt. Natürlich kann auch ein übergewichtiger Trainer grundsätzlich Ahnung von gesunder Ernährung haben – aber das ist nicht authentisch und schon gar nicht inspirierend. Zweitens: Wenn der Trainer nicht das lebt, was er lehrt, kann er die Konsequenzen seiner Ratschläge nicht ahnen. Das ist dann eine ganz gefährliche Sache. Dieses „Skin in the Game“ ist eine ganz wichtige Eigenschaft. Auf „Pumper-Deutsch“ würde man sagen: „Der dickste Bizeps hat Recht.“ Eigentlich ist das Quatsch, denn auch ein durchtrainierter Typ kann dir Mist erzählen. Aber du weißt, was ich damit sagen will. An dritter Stelle sehe ich den beständigen Willen zur Weiterbildung. Ich habe beispielsweise viel von meiner Physiotherapeutin gelernt. Als Trainer solltest du aktiv Probleme lösen und nicht nur Fakten auswendig lernen. Der Blick über den Tellerrand ist dabei enorm wichtig.

Wie kann das in der Praxis aussehen?

Als Trainer könntest du dich an einem freien Handstand versuchen. So lernst du, wie es sich anfühlt, eine Fähigkeit wieder etwas mühsam neu erwerben zu müssen. Du musst dich dabei selbst neu entdecken und überwinden.

Gibt es auch Dinge, die du von deinen Klienten gelernt hast?

Da fällt mir ein Klient ein, der sich sehr gut mit Sehkrafttraining auskannte. Ich selbst bin kurzsichtig und habe eine extreme Hornhautverkrümmung. Da konnte ich eine Menge für mich mitnehmen. Oder exotische Nahrungsergänzungsmittel. Einige Klienten fragen mich, ob ich die kenne und wenn ich das nicht tue, informiere ich mich eben und lerne so wieder etwas dazu.

Würdest du jemanden trainieren, der offensichtlich Anabolika nimmt?

Ja. Das habe ich bisher noch nie getan, würde mich als Experiment aber sehr interessieren. Ich würde mir das aber vorher genau überlegen und vom jeweiligen Trainierenden abhängig machen. Einige, die Steroide nehmen, sind einfach völlig durchgeknallt und machen sich kaputt. Andere wiederum setzen sich ganz nüchtern mit den Risiken auseinander und lassen sich regelmäßig von einem Arzt testen. Ein moralisches Problem hätte ich dann, wenn jemand Steroide benutzen würde, um im Wettkampf zu betrügen. Da mache ich nicht mit.

Aber im Prinzip kann sich jeder mit seinen sportlichen Zielen, Wünschen und Problemen an dich wenden?

Ja klar. Wenn nun natürlich jemand kommt, der sich selbst extrem mit Ausdauertraining beschäftigt, dann stoße ich hier sicher irgendwann an meine Grenzen. Ich habe einfach selbst noch keinen Marathonlauf gemacht. Hat er durch sein exzessives Ausdauertraining muskuläre Dysbalancen oder Probleme mit der Rumpfstabilität oder Ernährung, kann ich schon eher helfen.

Viele Menschen haben wenig Zeit und einen hektischen Alltag. Welche drei grundlegenden Tipps würdest du einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern geben, die ihre Ernährung und Bewegungspraxis umstellen möchte?

Kommt darauf an: Es gibt alleinerziehende Mütter, die sehr organisiert sind und ihr Leben besser im Griff haben als die meisten anderen Menschen. Andere haben ihre Schwächen im Zeitmanagement oder können nicht kochen. Wenn die Kinder ein bestimmtes Alter haben, kann man sie zum Beispiel auch in gewisse Übungen mit einbinden. Das ist auch für das Kind extrem gesund und viele Kinder haben auch Freude daran. Wer seinen Kindern also einen Karrierevorsprung geben möchte, sollte sie früh an Bewegung heranführen. Mütter, die wenig Zeit haben, sollten außerdem darauf achten, dass das Kochen nicht zu kompliziert wird.

Hier kann man viel von Bodybuildern lernen, die Reis für mehrere Tage vorkochen und dann jeweils eben Gemüse oder Hackfleisch hinzugeben. Das spart jede Menge Zeit. Ich koche zwei Mal am Tag und brauche jeweils nicht länger als zehn Minuten. Außerdem muss ich meist nicht die ganze Zeit am Herd stehen, sondern kann nebenbei viele andere Dinge erledigen. Mein dritter Rat wäre: Nehmt euch eine Auszeit. Auch Kinder müssen lernen, dass ihre Mütter Raum für sich brauchen. Die Kinder lernen so auch, wie sie sich selbst beschäftigen können. Es gibt viele gute Apps für geführte Meditationen. Da reichen 20 Minuten locker aus. Wichtig sind auch Termine mit sich selbst, die definitiv eingehalten und von den anderen Familienmitgliedern respektiert werden. In der Zeit kann die Mutter dann Sport machen oder sich eine Ruhepause gönnen.

 In deinem Buch schreibst du auch über die Morgenroutine. Viele schaffen es aber einfach nicht, früh aufzustehen und zu trainieren oder zu meditieren. Wie überwindest du dich?

Bis die Morgenroutine zur Gewohnheit wird, dauert es leider länger, als man denkt. Schlechte Gewohnheiten kommen schnell in unser Leben, weil sie sich kurzfristig gut anfühlen. Gute Angewohnheiten sind vielleicht erst einmal anstrengend, auf Dauer aber nützlich. Mache doch einfach ein Projekt daraus: In den nächsten sechs Wochen setzt du dir einfach das Ziel, morgens etwas eher aufzustehen und ein leichtes Training zu absolvieren. Es muss ja nicht gleich schweres Kreuzheben sein. Wichtig für einen guten Start in den Tag ist natürlich der Abend davor. Wer bis um 12 Uhr nachts mit seinem Handy herumdaddelt, hat am nächsten Tag keine Energie. Wenn du also am Abend wirklich zur Ruhe kommst und dir eben nicht noch den aufwühlenden Thriller anschaust, wird auch dein Schlaf gesünder. Magnesium und Sex vor dem Einschlafen helfen auch. Und: Wer früh aufsteht, muss dann eben abends auch früher ins Bett. Überfordere dich zu Beginn aber nicht. Du kannst erst einmal mit Yoga-Übungen anfangen und dich dann langsam steigern. Vor dem Sport kurz kalt abduschen hilft auch.

Viele Menschen haben nicht nur körperliche Probleme, sondern auch seelische. Das äußert sich dann in Stress oder Panikattacken. Du bist ja studierter Philosoph. Gibt es aus der Philosophie etwas, das diesen Menschen helfen könnte?

Der Philosoph selbst kann dir nicht mehr helfen. Der ist tot. Das Lesen philosophischer Bücher allein hilft auch nicht. Denn es gibt nur wenige Menschen, die etwas Lesen und sich dann inspiriert fühlen. Es gibt aber Übungen, die Philosophen wie Seneca vorschlagen, um sich zum Beispiel an ein einfaches Leben ohne Luxus zu gewöhnen. Das hat natürlich auch eine komische Seite, da Seneca zu seinen Lebzeiten der reichste Mann der Erde war – er hat dann also anstatt acht Dienern nur zwei Sklaven mit auf seine Ausflüge genommen. Das klassische Problem bei Managern ist aber eher, dass die Arbeit, der sie nachgehen, ihrem Leben keine Bedeutung verleiht. Ein Abteilungsleiter in der Buchhaltung kann seiner Arbeit – bis auf Ausnahmen – wahrscheinlich keine höhere Bedeutung zumessen.

Viele Leute haben sich auch – aus welchen Gründen auch immer – einfach den falschen Job ausgewählt. Bei Panikattacken solltest du überlegen: Wieso habe ich diese Panikattacke jetzt? Wieso dringt mein Geist gerade so nach außen und weshalb betrachte ich mich in diesem Gedankenkarussell so extrem selbst? Diese Menschen suchen dann in philosophischen Schriften eine Art Aspirin. Das hilft kurzfristig, ist aber keine Lösung. Die Lösung ist, ein Leben zu führen, das einen erfüllt und Bedeutung verleiht.

Frauen zum Beispiel haben die Wahl zwischen einer Karriere oder der Möglichkeit, Leben zu erschaffen. Ich persönlich verstehe dann nicht, wieso viele Frauen die Karriere bevorzugen, wenn Kinder dem eigenen Leben viel mehr Bedeutung verleihen. Eine Möglichkeit ist auch, sich mal bewusst eine Auszeit auf einem Bauernhof zu nehmen und mit Tieren zu arbeiten. Viele, die das machen sagen danach: „Alles wird ruhig. Und das ist ein wundervolles Gefühl.“ Joseph Bartz hat es so formuliert: „Wenn du in den Wald gehst, werden deine Fragen nicht beantwortet – sie verschwinden einfach.“ Panikattacken sind also keine Krankheit, sondern ein Symptom dafür, dass du etwas in deinem Leben ändern solltest.

„Wenn du inden Wald gehst, werden deine Fragen nicht beantwortet – sie verschwindeneinfach.“ – Joseph Bartz

Du kennst sicherlich die „Flow“-Theorie, die besagt, dass Menschen selbst in den einfachsten Tätigkeiten Erfüllung finden, wenn sie versuchen, diese möglichst exakt und perfekt zu erledigen. Viele Menschen kennen diesen Zustand aus dem Sport oder auch aus Computerspielen – man nimmt kaum noch etwas anderes wahr und geht in der Tätigkeit völlig auf. Ist das eine Lösung?

Ich sehe das ganze Konzept etwas kritisch. Flow kann auch gefährlich sein. Soziale Netzwerke wie Facebook lösen auch einen Flow aus und ehe man sich versieht, ist eine Stunde mit stumpfem Scrollen durch die Timelines verschwendet. Ein anderes Beispiel ist die klassische Midlife-Crisis. Du arbeitest hart, rast durch dein Leben und merkst auf einmal: „Fuck – ich habe mich verrannt. Was mache ich hier eigentlich?“ Das ist auch eine Flow-Erfahrung. Nur eben keine besonders schöne.

Neben ME-Improved betreibst du auch den Blog „Donner und Pflicht“, in dem es eher um philosophische Themen geht. Du richtest dich dabei auch oft an Frauen. Was hältst du denn von der aktuellen #Meetoo-Debatte?

Dass Vergewaltigung ein Verbrechen ist – darüber müssen wir nicht sprechen. Leider wussten wohl viele Menschen lange Zeit Bescheid. So entstand dann in Hollywood die absurde Situation, dass 50 Menschen darüber entscheiden, wer in welchen Filmen auftaucht. Das ist eine unheimliche Konzentration von Macht. Unabhängig davon sind mir viele Hollywoodfilme zu belehrend. Oft baut die Handlung darauf auf, dass der Mann ein Volltrottel ist, während Frauen die emanzipierten Kampfsportgranaten sind. Dabei weiß jeder, der selbst einmal Kampfsport betrieben hat, dass selbst eine versierte Kampfsportlerin Probleme hat, einen „normalen“ Mann zu überwältigen.

Da sind mir die alten He-Man Folgen lieber. Hier wurde am Ende jeder Folge sowas gesagt wie „Liebe Kinder – was haben wir gelernt? Lügen ist schlecht!“ – Zack, Bumm, aus. Das war primitiv und stumpf, aber ehrlicher als die Filme von heute, die hintergründig versuchen, eine ausgelutschte moralische Botschaft zu übermitteln. Und dass ausgerechnet diese Leute, die diese Filme mit erhobenem Zeigefinger erstellen, diese Schweinereien in Hollywood zugelassen haben, zeigt eigentlich schon, wie verlogen dieses System ist.

„Nur starke Menschen können die Welt zu einem besseren Ort machen und eine Ahnung haben, was das überhaupt heißt. Wer zu schwach ist, sieht die Welt zuallererst durch die Linse seines persönlichen Leids." – Donner und Pflicht.

Von Hollywood zurück nach Ostwestfalen: Was würdest du tun, wenn du für einen Tag Bürgermeister von Bielefeld wärst?

Die erste Sache, die mir einfällt, ist, dass das Geld zweckgebunden ausgegeben wird. Die Einnahmen aus der Hundesteuer sollten also beispielsweise Hundebesitzern und ihren Tieren zugutekommen. Wieso sollte ich eine Hundesteuer bezahlen, wenn die Stadt nicht in der Lage ist, für ausreichend Hundewiesen und Hundetütenautomaten zu sorgen? Dieses „Pooling“ von Geldern empfinde ich als ganz große Sauerei, da es so zweckentfremdet wird. Außerdem würde ich als Erziehungsmaßnahme für schlechte Mülltrennung einführen, dass man den Müll bei sich in der Wohnung aufbewahren muss und die Müllabfuhr diesen eben nicht abholt, solange der Müll nicht vernünftig sortiert ist. Nur so lernen die Leute das.

Du bist einer der wenigen, der sich bei dieser Frage nicht über die Bielefelder Baustellen beschwert.

Kein Wunder. Ich fahre kein Auto (lacht).

Letzte Frage: Was ist aus deiner Sicht eine unterschätzte Qualität von Bielefeld?

Bielefeld hat unglaublich viel Grün, das aber nicht gut genutzt wird. Mich nerven zum Beispiel die Biker, die wie irre durch den Wald rasen. Zeit in der Natur ist heilsam. Daher genieße ich es, dass ich von meiner Wohnung aus in zehn Minuten mitten im tiefen Wald bin. Die Nähe zum Wald ist ein echter Vorteil, den das Leben in Bielefeld mit sich bringt.

 Du möchtest mehr über Sascha erfahren? Dann empfehle ich dir seine sehr lesenswerten Blogs ME-Improved und Donner & Pflicht. Sein Buch „Lebenswandel: Reflexion und Analyse“ findest du hier.