Uta, als Nachrichtensprecherin und freie TV- und Online-Journalistin erstellst du unter anderem Beiträge für den WDR. Ist dir eine klassische Festanstellung zu langweilig?

Nicht zu langweilig, aber eine Festanstellung ist nichts für mich. Ich fühle mich zu schnell eingeengt. Nur für einen Arbeitgeber tätig zu sein – alleine die Vorstellung macht mich nervös. Ich mag es nicht, abhängig zu sein. Aber nicht falsch verstehen: Es ist durchaus so, dass ich teilweise mehr als 40 Stunden pro Woche arbeite. Dabei  habe ich aber immer das Gefühl, dass ich für mich arbeite. Arbeite ich viel, bekomme ich viel Geld. Arbeite ich wenig, bekomme ich eben wenig Geld.

Du bist außerdem gelernte Ergotherapeutin und Hotelfachfrau. Wie bist du auf die Idee gekommen, als freie Journalistin zu arbeiten?

Es war weniger eine Idee. Es hat sich so ergeben. Obwohl...in den 1980er-Jahren gab es eine Serie, die hieß „Der Nachtfalke“ und handelte von einem Radiomoderator, der Kriminalfälle löste und nachts auf Sendung war. Er hat jede Folge mit „Gute Nacht, Amerika! Wo immer ihr auch gerade seid!“ beendet. Damals ist ein heimlicher Traum entstanden. Ich habe aber immer gedacht, dass kein Radio dieser Welt auf mich wartet. Denn diesen Traum haben ja viele Menschen. Als Hotelfachfrau habe ich in einer gehobenen Stellung im Schichtdienst gearbeitet. Ich habe Azubis ausgebildet und der Lohn hat trotzdem nicht gereicht, um gut zu leben. Darum habe ich zusätzlich noch in einer Punkrock-Kneipe gejobbt. Irgendwann saßen ein Kollege und ich nach der Schicht mit einem Bier an der Theke. Er hatte gerade ein Praktikum bei Radio Bielefeld begonnen und das Gespräch war so...

Er: „Ich bin jetzt bei Radio Bielefeld.“

Ich: „Cool!“

Er: „Komm doch auch!“

Da habe ich gekündigt, ein Praktikum gemacht und bin geblieben.

Ein besonderes Faible von dir ist das Reisen. Neben Ägypten, Italien und Portugal hast Du auch andere, „exotischere“ Länder wie Neuseeland, Malaysia, Estland und vor allem Uganda entdeckt. Was muss passieren, damit du dich in Land und Leute verliebst?

Das kann ich nicht sagen. Es muss wie in der Liebe, „Klick“ machen. In Portugal war es die Warmherzigkeit, diese Leidenschaft und auch Traurigkeit in der Mentalität, die mich bis heute begeistert. In Uganda bin ich über die Tierwelt in das Land eingetaucht, weil da Berggorillas in freier Wildbahn leben. Und das gekoppelt mit der ja fast naiven Herzlichkeit der Menschen. Das ist bezaubernd.

In Uganda hast du Gorillas in freier Wildbahn gesehen und dich mit den Einheimischen angefreundet. Du wurdest sogar von einem Stamm adoptiert. Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Geschichte?

Mein Reiseleiter ist ein ehemaliger Journalist, der seinen Beruf nicht mehr ausübt, weil er mit dem Präsidenten nicht einverstanden ist. Er hatte also nur die Wahl, gegen sein Gewissen zu schreiben oder den Job an den Nagel zu hängen. Letzteres hat er getan. Das hat mir sehr imponiert. Er hat viel Zeit damit verbracht, mir das Land und die Strukturen zu erklären – aus journalistischer und menschlicher Sicht. Und so sind wir uns einfach näher gekommen. Als ich dann seine Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und Eltern kennenlernen durfte und mehrmals im Jahr zu Besuch war, hat sich aus dem üblichen „Sister“ eine tiefere Form entwickelt. Der Vater meines ugandischen „Bruders“, also des Reiseleiters, war der Kopf des Clans. Er hat sich hingesetzt und beschlossen, dass ich „Nassanga“ heiße. Das bedeutet "Stoßzahn eines Elefanten". Erst dachte ich: "Oooohh, wild und gefährlich." Aber mittlerweile glaube ich, er nannte mich wahrscheinlich eher so, weil ich weiß wie Elfenbein bin. Leider ist er an einem Herzinfarkt gestorben, bevor ich ihn dazu befragen konnte.

Aids ist nach wie vor ein großes Problem in Uganda. Teilweise wissen sogar Familienangehörige nicht, ob der Vater, die Mutter oder die Geschwister HIV-positiv sind. Aus Panik vor der Krankheit lassen sich viele Frauen und Männer erst gar nicht testen. Wie könnte die Krankheit deiner Meinung nach effektiv bekämpft werden?

Es ist schon ganz viel passiert in Uganda. Nicht zuletzt, weil die Einheimischen in den Lodges und Krankenhäusern umsonst Kondome bekommen. Es könnte also viel schlimmer sein. Aber nach wie vor ist es so, dass viele Personen, gerade auf dem Land, zu wenig aufgeklärt sind oder die Männer verlangen, dass sie ohne Schutz mit den Frauen schlafen dürfen. Also – Antwort auf Deine Frage: Mehr kostenloser Schutz und Aufklärung!

Viele Frauen – und auch Männer – hätten wahrscheinlich Bedenken allein nach Zentralafrika zu fliegen. Hast du auf deinen Reisen auch schon brenzlige Situationen erlebt?

Nein, habe ich nicht. Tatsächlich hatte ich nur vor dem ersten Mal auch Bedenken. In Asien war ich als Frau meistens alleine mit dem Rucksack unterwegs. Das war mir vertraut. Aber Afrika? Darum war ich in Uganda das erste Mal mit einer Reisegruppe unterwegs. Das Gute: Hätte ich das nicht gemacht, hätte ich meinen ugandischen Bruder und damit auch seine Familie nie kennengelernt. Aber ich habe auch erkannt, dass Touren mit einer Reisegruppe für mich der Horror sind. Wir haben in 4-Sterne-Lodges übernachtet und kaum etwas vom Land selbst erlebt. Die Besuche habe ich entweder alleine oder mit Freunden absolviert. Das gefällt mir wesentlich besser. Und ja, viele Männer rufen weißen Frauen hinterher oder machen Heiratsanträge, aber wenn die Frau dem mit Humor begegnet, dann kichern am Ende alle. Ich habe oft in einer der Landessprachen geantwortet: „Danke, heute nicht!“ und die Männer waren so überrascht, dass ich ihre Sprache kann, dass sie still waren oder laut gegrölt haben.

Deine Liebe zu Tieren hat dich auch beruflich weitergebracht. Mittlerweile betreust du den Facebook-Kanal von „Tiere suchen ein Zuhause“ mit rund 335.000 Fans. Müssen freie Journalisten heute Profis im Umgang mit den sozialen Netzwerken sein?

Da fällt mir eine Prognose schwer, denn üblicherweise würde jeder sagen: Ja, auf jeden Fall! Aber ich bin mir gar nicht sicher. Im Journalismus gibt es immer Strömungen und Stoßrichtungen. Als ich vor 15 Jahren beim Radio angefangen habe, hat man mir gesagt: In fünf Jahren wird es das Radio so als solches nicht mehr geben. Ich habe damals fast Panik bekommen. Und dann? Was mache ich dann? Aber bis heute gibt es das Radio und ich weiß einfach nicht, wie es in zehn Jahren aussieht. Viellicht bin ich dann ja auch keine Journalistin mehr. Wer weiß. Ich habe mich auf jeden Fall im Social Media-Bereich weitergebildet, weil es mir Spaß macht und, das ist mir sehr wichtig, weil ich als freie Journalistin möglichst breit aufgestellt sein will. Ich glaube aber, dass jeder Journalist etwas umdenken muss. Früher war es so, dass ich entweder für das Radio oder Fernsehen einen Beitrag gemacht habe. Heute ist es so, dass ich sowohl für das Radio als auch TV, Online oder eben für Social Media mitdenken muss, welche Umsetzungsform geeignet ist.

Zahlreiche freie Journalisten halten sich gerade so über Wasser. Welche Tipps würdest du Berufsanfängern geben?

Nicht aufgeben. Durchhalten. Und nicht erwarten, dass man alles auf einem Silbertablett serviert bekommt. Das ist nicht so. Aber wenn die Liebe zum Beruf und die Leidenschaft da ist, wird es immer irgendwie weitergehen. Manchmal auch mit Kompromissen, Umzügen oder Nachtarbeit. Aber dafür bleibt es in dem Beruf auch immer spannend.

Als Redakteurin bist du viel in Bielefeld unterwegs. Gibt es eine Geschichte, die dich besonders berührt hat?

Die hat eher indirekt mit Bielefeld zu tun. Ich habe vor einigen Jahren Jane Goodall für ein Interview treffen dürfen. Sie hatte abends einen Auftritt in der Bielefelder Stadthalle. Jane Goodall ist die Frau, die mehr als 20 Jahre mit Schimpansen im Dschungel gelebt und erkannt hat, dass Chimps Werkzeuge benutzen, etwa Gräser, um Termiten zu angeln. Diese Frau ist ein so großes Vorbild für mich in ihrem Auftreten, in ihrer Liebe zu den Tieren und der Natur, dass ich danach gedacht habe: "Okay, jetzt kann ich als Journalistin aufhören, besser wird es nicht mehr."

Hast du als freie Journalistin mal überlegt, aus Bielefeld wegzugehen? Nach Köln oder Berlin?

Ich war knapp drei Jahre bei der Deutschen Presseagentur in Berlin. Beziehungsweise - eigentlich habe ich mich aufgeteilt: Die eine Hälfte des Monats war ich in Berlin und habe da gearbeitet, die andere Hälfte war ich bei Radio Bielefeld und Radio Lippe. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich gesundheitlich etwas kürzer treten musste. Damals habe ich mir die Frage gestellt: "Ganz Berlin oder ganz Bielefeld?" Und mir war schnell klar, dass ich Bielefeld anderen Städten wirklich vorziehe. Ich liebe es in fünf Minuten im Wald zu sein oder mit dem Fahrrad die paar Kilometer in die Stadt zu fahren. Ich kann auch abends alleine losgehen und weiß, dass ich irgendwo in einer Bar bestimmt Bekannte treffe. Das ist in anderen Großstädten schwieriger.

Letzte Frage: Wenn du für einen Tag Bürgermeisterin in Bielefeld wärst, was würdest Du ändern?

Es mag für viele lächerlich klingen, aber ich habe eben ein Faible für Tiere. Ganz aktuell ist das Auftrittsverbot in Bielefeld für Zirkusse mit Wildtieren vom Verwaltungsgericht in Minden gekippt worden. Wenn ich Bürgermeisterin wäre, würde ich versuchen vor das Oberverwaltungsgericht zu ziehen und eine Grundsatzentscheidung zu erwirken. Dann würde ich, oooohhhh, ja, ich würde die Bauflächen begrenzen. Es sind so viele schöne Wiesen und Äcker in den Randgebieten, die jetzt zugebaut werden, das finde ich schade. Natur ist unbezahlbar. Das haben viele noch nicht begriffen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin viel Spaß bei deinen Projekten. Wer mehr über Uta Brömelmeyer und Uganda erfahren möchte, sollte ihren sehr lesenswerten Blog besuchen.